Neuronale Wirkung der Peter Hess-Klangmassage
Dr. med. Kerstin van den Dool (ehem. Gommel)
Zusammenfassung
In dem hier beschriebenen Forschungsprojekt ging
die Medizinerin Kerstin van den Dool der Frage
nach, inwieweit das subjektive Erleben während
einer Klangmassage auch objektiv messbar ist.
Bei Messungen während einer Klangmassage-Intensivausbildungswoche sowie 100 Tage später
beim dazu gehörenden Abschlussseminar konnten
neuronale Wirkungen bei den Teilnehmenden mittels
EEG-Spektralanalyse sowie Messung der visuellen
und auditiven Ordnungsschwelle im Vergleich zur
Kontrollgruppe erstmals belegt werden.
Die von Peter Hess vor 30 Jahren entwickelte Klangmassage wird bis heute stetig weiterentwickelt,
unzählige Beobachtungen in der Praxis von Anwendern
und Klienten fließen darin ständig ein.
Die Fragestellungen der vorliegenden, im Jahre 2009
durchgeführten Pilotstudie zur neuronalen Wirkung
der Klangmassage lauteten:
- Sind die subjektiv empfundenen Wirkungen der
Klangmassage messtechnisch objektivierbar?
- Was sind geeignete Messmethoden?
- Wie wirkt die Klangmassage?
Auf der Suche nach geeigneten Messmethoden
Am Institut für Kommunikation und Gehirnforschung in Stuttgart-Feuerbach (
www.haffelder.de) wird seit über
25 Jahren schwerpunktmäßig im Bereich Lernen sowie
der Förderung bei zerebraler Schädigung geforscht.
Vor allem Kinder mit Lernstörungen, Erwachsene
mit Konzentrationsproblemen oder dem Wunsch zur
Leistungssteigerung, beispielsweise im Bereich Management und Spitzensport bis hin zu Menschen mit
zerebralen Schädigungen besuchen das Institut. Dort
liegt ein Schwerpunkt in der Wirkungsuntersuchung
und therapeutischen Anwendung von Musik, besonders
der Musik von Mozart.
Messmethoden:
EEG-Spektralanalyse:
Die von Günter Haffelder am Institut für Kommunikation und Gehirnforschung entwickelte EEG-Spektralanalyse ist ein standardisiertes Messverfahren,
bei dem über eine 2-Kanalableitung Hirnströme abgeleitet werden. Die EEG-Signale werden mit einer
Spektralanalyse in ihre einzelnen Frequenzanteile
auseinandergerechnet und dreidimensional im Zeitverlauf in einem Chronospektrogramm dargestellt. Zwei
Chronospektrogramme derselben Person, aufgezeichnet
beispielsweise vor und nach einer Klangmassage-Intensivausbildungswoche, können miteinander verglichen und mögliche Veränderungen im Gehirnstrombild dokumentiert werden. Die Software erlaubt
außerdem eine Heraus-Vergrößerung von sekundengenauen Zeitfenstern im Chronospektrogramm.
Anhand des Messprotokolls können so auch direkte
Reaktionen im Hirnstrombild, beispielsweise auf einzelne Klangschalen-Anschläge während einer messtechnisch begleiteten Klangmassage, nachvollzogen
und untersucht werden.
An den verwendeten Messpunkten (an den Mastoiden,
d.h. direkt hinter den Ohren und an der Stirn) werden
vor allem Signale aus dem Mittelhirn, dem Stirnlappen
und dem Schläfenlappen aufgezeichnet. Somit stammen sie unter anderem aus der Hörrinde als auch aus
dem Limbischen System.
Das Limbische System, dem unter anderem der Hippocampus und der Mandelkern zugeordnet werden, gilt
als wichtige Schaltstelle für die Verarbeitung von
Emotionen und Körperwahrnehmungen wie beispielsweise Schmerzen. Es spielt auch eine wichtige Rolle
beim Lernen und Erinnern.
Das typische Frequenzbild der EEG-Spektralanalyse nach Haffelder zeigt bei einem Probanden in Ruhe eine
eher niedrige Beta-Aktivität, Theta und vor allem Delta
können dagegen vergleichsweise hohe Amplituden
haben, Alpha tritt normalerweise nur bei geschlossenen Augen auf.
Die Frequenzen des menschlichen Gehirns (nach G. Haffelder):
Beta-Rhythmus (≈ 14 - 28 Hz):
Logisches Denken, aktive Aufmerksamkeit, aber auch
Aggression, Stress und Frustration.
Alpha-Rhythmus (≈ 7 - 14 Hz):
Entspannte Konzentration, ruhiges, gelassenes Denken.
Alpha ist die „Brücke“ zwischen Bewusstsein und
Unterbewusstsein.
Theta-Rhythmus (≈ 3,5 - 7 Hz):
Ruhiger Zustand, Schlaf, Inspiration und Traum,
visualisieren, tagträumen, fantasieren.
Messung der visuellen und auditiven Ordnungsschwelle:
Um überhaupt vergleichbare Hirnstromsignale aufzeichnen zu können, ist es wichtig, bei einem Versuchsaufbau die Probanden immer auf dieselbe Art
zu beschäftigen. Hierzu kann beispielsweise der Ordnungsschwellentest geeignet sein.
Werden zwei sensorische Reize, zum Beispiel in visueller
oder akustischer Form (z.B. zwei blinkende Lämpchen
oder zwei Geräusche), einem Menschen kurz hintereinander angeboten, so gibt es, wenn der Abstand
zwischen den beiden Reizen immer mehr verkürzt wird,
einen Moment, an dem die Unterscheidung, welcher
Reiz zuerst aufgetreten ist, für den Probanden unmöglich wird. Die Zeitspanne, in der zwei Reize von einem
Erwachsenen normalerweise noch als unterschiedlich
erkannt werden und zeitlich richtig zugeordnet werden,
liegt bei ca. 50 bis 100 Millisekunden.
Die Messung der (Zu-) Ordnungsschwelle gibt also
Auskunft über die Reizverarbeitungsgeschwindigkeit
des Gehirns. Bei der durchgeführten Studie wurde der
Ordnungsschwellentest zur Fokussierung der Versuchs
teilnehmer verwendet, mögliche Ergebnisse des Tests
wurden erst sekundär untersucht.
Studiendesign
Studienteilnehmer:
Die Versuchsgruppe umfasste 15 Teilnehmer einer
Intensivausbildung in der Peter Hess-Klangmassage,
die an der Rhön-Akademie Schwarzerden in Gersfeld stattfand. Die Kontrollgruppe bestand aus 5
Mitarbeitern des Seminarzentrums, die nicht direkt
am Intensivkurs teilnahmen, sondern im normalen
Arbeitsalltag standen. Bildungsabschluss, Altersmedian
und die Geschlechterverteilung der beiden Gruppen
waren vergleichbar. Zur Nachmessung nach hundert
Tagen standen noch 10 Teilnehmer der Versuchsgruppe
und 4 Teilnehmer der Kontrollgruppe zur Verfügung,
ebenfalls in vergleichbarem Geschlechterverhältnis.
Zeitlicher Ablauf:
Zu Beginn und zum Abschluss der Intensivausbildungswoche (66 Unterrichtsstunden über 8 Tage),
die mehrfach täglich Gruppen- und Einzelarbeit mit
Klangschalen beinhaltete, wurden bei den Probanden
die Hirnströme abgeleitet und dabei der visuelle und
auditive Ordnungsschwellentest durchgeführt.
Im Rahmen des zur Ausbildung gehörenden Abschlussseminars inkl. Supervision (Freitagabend bis Sonntagmittag) konnte die Messung der Ordnungsschwelle
bei den Kursteilnehmern nach 100 Tagen wiederholt
werden, außerdem wurden in diesem Rahmen mit einem
nicht-standardisierten Fragebogen Daten erhoben.
Der Fragebogen erfasste die subjektive Einschätzung
des persönlichen Stresslevels während der Studienzeit
und dessen möglichen Hintergrund sowie die Anzahl
der Klangmassage-Kontakte im Alltag (in der Zeit
zwischen Intensivausbildungswoche und Abschlussseminar). Stichprobenartig konnten außerdem während
der Studienzeit die Hirnströme einzelner Probanden
während einer Klangmassage aufgezeichnet und untersucht werden.
Wie wirkt die Klangmassage?
Studienergebnisse und Diskussion
EEG-Spektralanalyse:
Allgemein war eine Rhythmisierung der Gehirnprozesse
bei den Versuchsteilnehmern zu beobachten.
Die Beta-Aktivität der Versuchsteilnehmer war nach
der Klangwoche signifikant geringer, das heißt es fand
eine sichtbare Stressreduktion statt. In der Kontrollgruppe hingegen nahm die Beta-Aktivität am Ende der normalen Arbeitswoche eher zu.
Die Alpha-Aktivität nahm bei der Versuchsgruppe zu, Blockaden verringerten sich. Ein deutlicher Anteil der Probanden zeigte darüber hinaus eine synchronere
Hirnaktivität nach der Klangwoche, was
auf eine bessere Zusammenarbeit der
Hemisphären hindeutet.
Nicht signifikant waren hingegen die
Theta-Aktivierungen, sowohl in der Versuchs- als auch in der Kontrollgruppe.
Dies ist durch die Versuchsanordnung zu
erklären, da die Probanden während der
gesamten EEG-Messung konzentriert mit
dem Ordnungsschwellentest beschäftigt
waren und dabei wenig Raum hatten,
innere Bilder entstehen zu lassen. Bei
den individuellen Messungen während
der Durchführung einer Klangmassage
traten hingegen deutliche Theta-Muster
auf (siehe Diagramm 2).
Im Bereich des Delta-Rhythmus zeigte
sich bei einem signifikanten Anteil der
Versuchsteilnehmer nach der Klangwo-
che eine Abnahme der Delta-Amplitude.
Ordnungsschwellenmessung:
Die Durchführung des Ordnungsschwellen
tests brachte einige Ergebnisse:
Im Bereich der visuellen Ordnungsschwelle war bei der Versuchsgruppe
eine deutliche Wahrnehmungssteigerung
nach der Intensivwoche feststellbar.
Nach 100 Tagen hatte der Wert wieder
etwas abgenommen und pendelte sich
etwa in der Mitte zwischen dem Aus gangswert und dem Wert unmittelbar
nach Ende der Klangwoche ein.
In der Kontrollgruppe blieb die visuelle Ordnungsschwelle weitgehend unverändert und nahm im Mittel
sogar etwas ab.
Bei der Messung der auditiven Ordnungsschwelle zeigte
sich in der Versuchsgruppe nach hundert Tagen eine
Stabilisierung der nach der Klangwoche beobachtbaren
Wahrnehmungssteigerung. In der Kontrollgruppe hingegen traten keine signifikanten Veränderungen auf.
Damit zeigte sich die Messung der Ordnungsschwelle
als möglicher Parameter, eine vermehrte Stressbelastung zu dokumentieren, außerdem geben die Ergebnisse der Kontrollgruppe
Anzeichen dafür, dass ein „Übungseffekt“
ausgeschlossen werden kann.
Ergebnisse des erhobenen Fragebogens:
Der mittlere Stresslevel wurde auf einer
Skala von 1 (sehr niedrig) bis 6 (sehr
hoch) von den Versuchsteilnehmern im
Mittel bei 4,25 vor und bei 1,55 Punkten unmittelbar nach der Klangwoche
angegeben. Nach hundert Tagen lag das
Mittel der subjektiven Stresseinschätzung bei 3,35 Punkten.
Stressursachen lagen zu gleichen Teilen
im beruflichen wie auch im privaten Bereich. Die Anzahl der Klangkontakte, die
zwischen der Ausbildungswoche und dem
Abschlussseminar stattfanden, stand
nicht in Korrelation mit einem persönlich
beobachteten Langzeiteffekt nach Abschluss der Klangwoche. Die Hälfte der
Probanden beobachtete bei sich eine bis
etwa eine Woche nach der Klangmassage-Intensivausbildungswoche anhaltende
Veränderung des Stresspegels, die andere
Hälfte für mehrere Wochen, 2 Probanden
stellten bei sich anhaltende Veränderungen bis zum hundertsten Tag, dem
Erhebungstag des Fragebogens, fest.
EEG-Messungen während einer Klangmassage:
In den stichprobenartigen EEG-Messungen während
einer Klangmassage zeigten die Probanden messbare
Reaktionen auf Einzelschläge.
Befand sich die Beckenschale auf dem mittleren Rücken,
konnte beispielsweise Probandin 1 tief entspannen.
Die Gelenkschale an den Fußsohlen brachte einen
ähnlichen Effekt, ausserdem zeigten sich in der rechten
Gehirnhälfte starke Delta- und Theta-Aktivierungen.
Wurde die Herzschale im Bereich der Brustwirbelsäule
angeklungen, war die Probandin wacher und „zählte“
in der linken Gehirnhälfte die Schläge mit. Vor allem
deutliche Delta-Aktivierungen zeigte die Probandin
bei direkten Interventionen der Therapeutin.
So reagierte sie messbar stark auf alle kinesthetischen
Reize, zum Beispiel die Handberührung der Therapeutin
vor dem Aufstellen der Schalen auf den Körper der
Probandin.
Das Hemisphärenmodell:
Rechte und linke Gehirnhälfte haben beim Menschen
unterschiedliche Aufgaben und Arbeitsweisen. Beim
Rechtshänder ist die linke Hemisphäre für die bewussten Prozesse zuständig, sie arbeitet linear und
logisch. Hier entstehen das Ich-Bewusstsein und beispielsweise die Fähigkeit, sich selbst und die Umwelt
im Zeitstrom zu ordnen, Worte für etwas zu finden
und zu sprechen. Die rechte Gehirnhälfte hingegen
arbeitet ganzheitlich, zeitlos und bildhaft und beherbergt die intuitiven, kreativen, körperorientierten und
allgemein unbewussten Prozesse.
Subjektive und objektivierbare Wirkungen der Klangmassage
Eine Zusammenfassung:
Eine Klangmassage zu bekommen, ist ein Erlebnis. Die
Klänge und Vibrationen der Klangschalen erreichen den
Menschen tief und auf mehreren Ebenen, körperlich,
emotional und geistig.
Subjektiv sinkt der Stresslevel, gutes Abtauchen und
Entspannen sind möglich. Die durchgeführte Studie,
der weitere Untersuchungen folgen sollen, konnte
zeigen, dass es objektivierbare neuronale Wirkungen
der Klangmassage gibt, darstellbar an einem nachhaltig veränderten Gehirnstrombild und auch messbar
an einer veränderten Wahrnehmungsgeschwindigkeit
der Probanden.
Diese ersten Messungen zeigten außerdem einen
starken Einfluss desjenigen, der die Klangmassage
gibt, auf denjenigen, der sie erhält. Die Klangmassage
macht den Menschen „sehr offen“ für alle Berührungen
und Interventionen von Seiten des Therapeuten. Diese
Ergebnisse sollten in die Aus- und Weiterbildung am
PHI einfließen und dürfen Anregung sein für jeden
einzelnen, der mit der Klangmassage arbeitet, sich
immer weiter in Richtung Intuition und Achtsamkeit
zu schulen.
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