Klanggenuss Gümmer

Thema des Monats

Thema des Monats im Januar / Februar / März:

Klangmassage als Entspannungsangebot für Menschen mit Schwerhörigkeit und bei Tinnitus

Autoren: Angelika Nebl und Dr. phil. Christina M. Koller

Zwei weitere Beeinträchtigungen nehmen zu, und zwar offensichtlich beängstigend: Hörsturz und Tinnitus (Ohrgeräusche). Sie gehen in der Mehrzahl auf psychosoziale Belastungen zurück und werden - wenn sie sich nicht therapeutisch in den Griff bekommen lassen - zu einer zusätzlichen und oft folgenschweren Beeinträchtigung im Alltag.

Rund 340.000 Menschen erkranken laut der Deutschen Tinnitus-Liga pro Jahr in Deutschland neu an Tinnitus, was die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränkt. Etwa 18,7 Millionen Deutsche haben bereits Ohrengeräusche erlebt – wenn auch meist nur vorübergehend. Es gibt Angebote für Geräteversorgung bei Schwerhörigkeit mit dem Ziel: mehr hören, mehr verstehen, Hörakustik-Leistungen, Hörgeräte, Implantierbare Hörleistungen. Was häufig nicht gesehen wird, sind psychische und psychosomatische Auswirkungen bei Schwerhörigkeit und Tinnitus. Als ganzheitliche Entspannungsmethode kann die Klangmassage entsprechend komplementär, also begleitend zur medizinischen Behandlung für die Betroffenen eine Hilfe sein.

Ein Projekt des Linzer Vereins vonOHRzuOHR in Österreich

Ich (Angelika Nebl) bin seit 40 Jahren schwerhörig und beidseitig mit Hörgeräten versorgt. 2003 wirkte ich an der Gründung des Linzer Projektes „vonOHRzuOHR“ mit, das vom gleichnamigen Verein initiiert und betreut wird. Seither bin ich dort als Schwerhörigenberaterin tätig und biete auch die Klangmassage als kostenlose Entspannungsmöglichkeit für schwerhörige Menschen und Tinnitus-Betroffene an.

Der Verein vonOHRzuOHR versteht sich als Drehscheibe zum besseren Hören. Wir stehen allen Interessierten und Betroffenen rund um das Thema Schwerhörigkeit zur Verfügung. Das Ziel unserer Arbeit ist es, dazu beizutragen, die Lebensqualität bzw. die Situation von schwerhörigen Personen in der Gesellschaft zu verbessern. Das Projekt vonOHRzuOHR bietet daher auch Firmenberatung zu diesem wichtigen Thema an. Denn alleine in Oberösterreich gibt es rund 540.000 Beschäftigte, von denen 19 Prozent von einer Hörschwäche betroffen sind. Das sind circa 103.220 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in etwa 11.305 Betrieben – Tendenz steigend. Im Auftrag des Sozialministeriums bieten wir den Oberösterreichischen Unternehmen kostenlose Beratung der Mitarbeiter an. Unser Team, bestehend aus Angehörigen, Betroffenen sowie Fachleuten und ist in der Lage, sich ganz individuell auf die einzelnen Bedürfnisse von Schwerhörigen einzustellen. Unser Serviceangebot umfasst Beratung, Logopädie, Prävention und kostenlose Entspannungsangebote mit Klangschalen. Zudem bieten wir auch Selbsthilfegruppen für Schwerhörige an.

Ich bin persönlich sehr dankbar, dass ich vor ca. 15 Jahren bei einem Chiropraktiker die Klangschalen kennen lernen durfte – da wusste ich, ich möchte dies nochmals erleben oder auch selbst erlernen. Dieser Wunsch ging in Erfüllung.

Entspannungsangebot mit Klangschalen für Tinnitus-Betroffene

Mein Klangmassage-Angebot dauert etwa 20 Minuten und setzt sich aus einer kurzen Basis-Klangmassage mit einigen spezifischen Klangelementen zusammen, wie z.B. der „Klangacht in der Aura“. Viele meiner Klienten empfinden die Klangmassage sehr entspannend, weil die Töne/Geräusche des Tinnitus „überlagert“ werden und Entspannung rasch eintritt. Es gibt immer wieder Fälle, bei denen akuter Tinnitus nach drei bis vier Klangsitzungen fast oder ganz weg ist. Viele derjenigen, die schon jahrelang unter Tinnitus leiden, beschreiben die Klangmassage als entspannend, auch wenn diese ad hoc keine wesentliche oder bleibende Veränderung des Tinnitus bewirkt. Sie kommen gerne wieder, weil die Entspannung Potential für Veränderung und Neuorganisation eröffnet.

Klangmassage bei störendem Tinnitus

Der Begriff Tinnitus leitet sich vom lat. „tinnire“ ab und bedeutet klingen. Allgemein versteht man darunter Töne und Geräusche, die ohne äußere Geräuschquelle im Ohr oder im Kopf lokalisiert werden können, erklärt Dr. Uwe Ross in seinem Artikel „Klangmassage bei störendem Tinnitus“ (2010, S. 144-159). In Deutschland leiden rund drei Millionen Menschen unter störenden Tinnitus. Ihre Lebensqualität ist durch Hörbeeinträchtigung, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, soziale Isolation oder Angst und Depression zum Teil deutlich eingeschränkt, so der Freiburger HNO-Arzt und Psychotherapeut. Die Ursachen können vielfältig sein, Stress kann ein Grund für das Auftreten des Tinnitus sein. Die Klangmassage als ganzheitliches Entspannungsangebot kann hier im Rahmen eines multimodalen Ansatzes Unterstützung bieten. Über die Stressreduzierung hinaus können Klangangebote – mit entsprechendem Hintergrundwissen und Erfahrung – psychologische Faktoren wie Aufmerksamkeitsfokussierung und suggestive Momente positiv beeinflussen.

Nach medizinischer Abklärung und Behandlung kann für Tinnitus-Betroffene die komplementär, also begleitend angeboten Klangmassage zur Stressreduktion ein hilfreiches Angebot sein. Ross (edb., S. 156) schreibt hierzu:

„Emotionale Erregungszustände wie beispielsweise Angst, Ärger oder Traurigkeit schärfen die Wahrnehmung für den Tinnitus. Da es meist nicht möglich ist, den Tinnitus direkt zu beeinflussen – wohl aber den Zustand des Betroffenen und die mit dem Tinnitus verbundene Emotion – ist es hilfreich, Stress durch Entspannung abzubauen. Hier können die Klangmassage-Techniken zur Entspannung oder Vitalisierung (Klangpyramide, Klangbad) oder auch die Basistechniken zum Einsatz kommen.“

Dr. Ross, der selbst in der Peter Hess®-Klangmassage ausgebildet ist, hat spezielle Interventionen und Techniken der Klangmassage zur Anwendung bei Tinnitus-Betroffenen entwickelt, die genutzt werden können, um gezielt belastende Tinnitus bezogene Erlebnismuster – Emotionen, unwillkürliche Gedanken, Haltung, vegetative Reaktionen – zu verändern und auf emotionaler oder vegetativer Basis eine innere Neuorganisation anzuregen. Er bietet am PHI zwei aufeinander aufbauende Seminare mit dem Titel „Klangmassage bei Tinnitus I+II“ an, in denen diese Techniken basierend auf einem fundierten, vertieften Verständnis des Tinnitus-Modells und der Prinzipien der Tinnitus-Therapie vermittelt werden. Die entsprechenden Klangmassage-Angebote

können auch als Technik der Gegenkonditionierung verstanden und genutzt werden, erklärt Ross (edb., S. 158). Dies baut auf dem Prinzip der „reziproken Hemmung auf“, wonach ängstliche Erregung und körperliche Entspannung nicht gleichzeitig vorhanden sein können. Im Sinne einer systematischen Desensibilisierung können die Klangangebote auf psychischer Ebene eine Neuverknüpfung der Tinnitus-Wahrnehmung mit positivem Erleben wie etwa Entspannung bewirken. Zudem ermöglichen die wohltuenden Klänge, wie sie während einer Klangmassage i.d.R. erlebt werden, eine Relativierung der schlechten Erfahrungen mit Klängen und Geräuschen (Tinnitus).

Literatur:

Ross, Uwe H.: Klangmassage bei störendem Tinnitus. In: Peter Hess-Klangmethoden im Kontext von Forschung und Wissenschaft, Verlag Peter Hess 2010, S. 144-159.

Ross, Uwe H.: Tinnitus – So finden Sie wieder Ruhe. Weltbild 2010

Quelle: Internationaler Fachverband Klang-Massage-Therapie e.V.

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